Thermidor


Fouché



Am 3. April 1794 erfuhr Fouché, dass ihn der Wohlfahrtsausschuss persönlich in Paris sehen wollte. Zwei Tage später verließ er Lyon und machte sich auf den Weg in die Hauptstadt. Natürlich wusste Fouché, dass er in Paris nicht mit offenen Armen empfangen werden sollte. Doch noch war er sich der Freundschaft von Chaumette und Danton sicher und war bereit den Kampf aufzunehmen. Als er am 8. April Paris erreicht erfährt er die ganze Wahrheit: Danton wurde von Robespierre auf die Guillotine gebracht, Chaumette saß bereits im Gefängnis.

Am nächsten Tag begibt sich Fouché in den Konvent. Der Konvent, dem Wohlfahrtsausschuss übergeordnet, ist Fouchés Chance den Vorwürfen auszuweichen. Dort trägt er seinen Bericht vor, doch die Mitglieder sind bereits zu eingeschüchtert und wagen es nicht sich für oder gegen ihn zu entscheiden. Sie verweisen ihn unmissverständlich an den Ausschuss.

Fouché, der gerade erst die neuen Verhältnisse in Paris kennen lernt, beginnt seine prekäre Lage zu verstehen. In dieser Situation wagt er sich persönlich zu Robespierre. In dessen Wohnung kommt es am gleichen Abend zu einem Treffen. Doch Robespierre lässt sich auf keinen Pakt ein. Die Fronten sind verhärtet und als Fouché das kleine Bürgerhaus in der Rue Saint-Honoré verlässt ist ihm klar, dass entweder sein Kopf oder der von Robespierre im Korb landen wird.

Eines der spannendsten Kapitel der Französischen Revolution beginnt mit dem Zweikampf zwischen Fouché und Robespierre. Beide kennen sich schon lange, doch beide haben die Veränderungen an sich selbst nicht wahrgenommen und unterschätzen sich gegenseitig. Robespierre ist nicht mehr der unbedeutende Anwalt, sondern ein Staatsmann geworden. Während Robespierre in Fouché immer noch den armseligen Priesterlehrer sieht, der um die Hand seiner Schwester angehalten hat.

Am 6. Mai hielt Robespierre seine berühmte Rede über die Existenz eines höchsten Wesens. In der viel beachteten Rede wandte er sich direkt an Fouché und griff ihn sogar persönlich an. Der Konvent ist begeistert und stimmt dem Fest zu Ehren des höchsten Wesens zu. Fouché jedoch hält sich zurück, in dieser Situation ist Schweigen das einzige Mittel.

Nach diesem denkwürdigen Tag tauchte Fouché praktisch unter. Robespierre interpretierte dies als Sieg und verschwendete keinen Gedanken mehr an seinen Gegner. Doch je weniger man von Fouché hörte, und diese Lektion lernten in den späteren Jahren noch viele, desto umtriebiger war dieser.

Fouché spannte im Hintergrund sein Netzwerk. Er besuchte alte Freunde, suchte die Bekanntschaft zu Abgeordneten und tat dabei alles um unauffällig zu bleiben. Am 18. Prairal erntet er die Frucht seiner Arbeit und Joseph Fouché wird zum Präsidenten des Jakobinerklubs gewählt!

Robespierre erkennt sofort, dass er sich in Fouché getäuscht hatte und setzte zum zweiten Schlag an. Bürger aus Lyon wurden vorgeladen und klagten Fouché an. Doch statt sich öffentlich zu verteidigen, denn das Auftreten in der Öffentlichkeit ist Fouchés größte Schwäche, beendet er als Präsident die Debatte.

Robespierre erkennt seine Chance und erneuert seine öffentliche Anklage bei den Jakobinern und fordert das Erscheinen seines Gegners in der nächsten Sitzung. Fouché antwortet, dass er in das schwebende Verfahren nicht eingreifen möchte, solange die Ausschüsse noch über sein Verhalten in Lyon entschieden haben.

Am 11. Juni hält Robespierre eine bittere Rede gegen Fouché und bringt den Jakobinerklub dazu den eigenen Präsidenten aus dem Jakobinerklub auszustoßen.

Jeder rechnete nun damit, dass Fouché jeden Moment verhaftet und hingerichtet wird. Der Gezeichnete übernachtet nicht mehr in seinem eigenen Haus, sondern schläft jede Nacht wo anders. Seine Tochter und die todkranke Tochter sieht er kaum noch. Doch er ist nicht der Einzige der um sein Leben fürchtet. Unter seinem Namen standen noch viele andere Deputierte, die Angst vor Robespierre hatten und gute Miene zum bösen Spiel machten. Und diese fanden sich nicht nur in einem Lager, denn Robespierre hatte sich mittlerweile überall Feinde gemacht. Was ihnen fehlte, war das gemeinsame Vorgehen gehen den gemeinsamen Feind. Würde es jemanden gelingen die Furcht und das Misstrauen gegen Robespierre zu steigern, so würde es plötzlich neue und unerwartete Koalitionen geben.

Und dieser Jemand war Fouché. Den ganzen Tag und die halbe Nacht war er damit beschäftigt die Abgeordneten zu besuchen und sie zu warnen. Er erzählte, dass Robespierre neue Todeslisten vorbereiten würde und wusste natürlich auch, wer auf diesen Namen stand. Es dauerte nicht lange und ein großer Teil der Abgeordneten freundete sich mit dem Gedanken an gegen Robespierre zu konspirieren um das eigene Leben zu retten.

Billaud und Tallien brachte er zusammen, mit Tallien und Barras bildete er ein Triumvirat gegen Robespierre. Den Rückhalt im Ausschuss sicherte er sich durch Treffen mit Billaud, Collot und Carnot.

Robespierre blieb das natürlich nicht verborgen und er erkannte auch die Handschrift Fouchés wieder. Zusätzlich beunruhigt wurde er durch einen abgefangenen Brief Fouchés. Der Abgeordnete Bô fing in Nantes einen Brief an Fouchés Schwester ab und schickte ihn an Robespierre. Darin versicherte Joseph, dass er von Robespierres Verleumdungen nichts zu befürchten hatte und die Sache in Kürze ausgestanden sei.

Gemeinsam mit Saint-Just versuchte Robespierre seine gefährlichste Waffe zu schärfen. Seit Tagen arbeiteten sie an einer ausgefeilten Rede und seine Worte sollten endgültig das Ende seiner Gegner bringen.

Robespierres Ende



Robespierre und Saint-Just planten den Sieg über ihre Feinde am 8. Thermidor. An diesem Tag sollte Robespierre die Rede halten und den Konvent ein weiteres Mal für sich gewinnen. Dabei würde er nicht namentlich auf seine Gegner eingehen, sondern dies Saint-Just am 9. Thermidor überlassen.

Aber auch Fouché, dessen kleine Tochter genau in diesen Tagen starb, blies am 7. Thermidor zum Angriff. Der nächste Tag, dessen waren sich alle bewusst, würde in die Geschichte eingehen.

So verwunderte es nicht, dass am 8. Thermidor über dem Konvent eine aufgeregte Stimmung lag. Die Abgeordneten gruppierten sich und sprachen leise miteinander.

Die Sitzung wurde eröffnet und Robespierre meldete sich umgehend zu Wort. Herausgeputzt, wie zum Fest des höchsten Wesens, schritt Robespierre an das Rednerpult. Die Blicke im Konvent fielen auf das zusammengerollte Papier in seiner Hand und jeder fürchtete dort seinen Namen zu finden. Robespierres Blick ging durch den Saal, doch Fouché fand er nicht.

Robespierre begann mit seiner dreistündigen Rede. Er sprach von Verschwörungen und Konspirationen ohne Namen zu nennen, doch am Ende waren die Abgeordneten ermüdet. Sie regten sich auch nicht, als der Druck der Rede, und somit die Duldung, verabschiedet werden sollte. In diesem Moment sprach Bourdon de l'Oise auf und sprach als Einziger gegen die Veröffentlichung. Der Damm war gebrochen und innerhalb von weniger Minuten entbrannte eine Debatte. Robespierre, dem man jetzt vorwarf zu unkonkret und undeutlich gesprochen zu haben, wurde vom Ankläger in die Rolle des Angeklagten gedrängt. Er sollte endlich Namen nennen und den vagen Verdächtigungen ein Ende bereiten. Robespierre verteidigte sich und erklärte, dass er mit seiner Rede niemanden anklagen wollte. Diese Rolle, dessen war sich Robespierre bewusst, sollte Saint-Just erst am nächsten Tag übernehmen.

"Und Fouché?" warf ihm ein Abgeordneter entgegen. Robespierre wich aus. Jetzt sei nicht der Augenblick um sich mit Fouché zu beschäftigen, erklärte er Unverständlichweise.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Thermidor hatten sich wohl die wenigsten zur Ruhe begeben. Robespierre wog sich im Schoß des Jakobinerklubs und verlas dort ein weiteres Mal seine Rede. Während die Jakobiner ihn mit tosendem Beifall bedachten, kämpfte Saint-Just im Ausschuss gegen Collot, Carnot und die anderen Verschwörer, während diese ihr Netz weiter strickten. In dieser Nacht tauchte auch Fouché wieder auf und beteiligte sich am Ränkeschmieden. Als die Front gegen Robespierre endlich stand, begab sich Fouché zur Ruhe.

Kaum hatte die Sitzung am 9. Thermidor begonnen, da ergriff Saint-Just bereits das Wort um die vorbereitete Anklage zu verlesen. Sofort wurde er von Tallien unterbrochen, denn die Verschwörer hatten vereinbart, Robespierre und Saint-Just nicht mehr zu Wort kommen zu lassen.

Der 9. Thermidor im Konvent



Shot
Der Präsident leitete einen Redner nach dem anderen an das Rednerpult und wenn sich Robespierre verteidigen wollte, so wurde er von den Abgeordneten durch Zwischenrufe und Krawall zur Ruhe gebracht. Um sechs Uhr Abends des 9. Thermidor ist Robespierres Schicksal besiegelt. Er wird geächtet und ins Gefängnis geworfen.

In der Nacht kam es zum letzten Aufstand und Robespierre wurde mit Gewalt aus dem Gefängnis befreit. Im Rathaus verbarrikadierten sich die vermeintlichen Verteidiger der Revolution und konnten doch nicht verhindern, dass gegen zwei Uhr die Truppen des Konvents das Rathaus stürmen.

Maximilian Robespierre versucht seinem Leben ein Ende zu setzen, doch sein Schuss zerschmettert ihm den Kiefer. Der geniale Redner wurde am nächsten Tag, ohne das er noch einmal ein Wort an die Anwesenden richten konnte, auf die Guillotine gebracht. Der Terror hatte ein Ende.

9. Thermidor im Rathaus



Ermutigt durch das Ende des Terrors fing der Mittelstand an, sich gegen die Herrschaft des einfachen Volkes zu regen. Auch im Konvent fassten die Gemäßigten wieder Mut. Der Klub der Jakobiner wurde erst beschränkt, dann am 11. Nov. 1794 geschlossen und das Sitzungsgebäude später demoliert. Die Überbleibsel des Klubs zogen sich in die Vorstädte St.-Antoine und St.-Marceau zurück, wo sie Sympathie und Aufnahme in den Arbeitergesellschaften fanden. 73 früher aus dem Konvent vertriebene Girondisten wurden zurückgerufen, wo sie nun einer entschiedenen Reaktion huldigten.

Das Revolutionstribunal wurde aufgehoben. Die Zustände waren aber keineswegs erfreulich. Während sich einerseits die wohlhabenden Klassen nach langem Schrecken in ausschweifender Lust entschädigten, litten die niedern nach Aufhebung der auf künstliche Herabsetzung der Lebensmittelpreise gerichteten Maßregeln unter den Folgen der allgemeinen Arbeitsscheu, der Rekrutierungen, der Störungen von Gewerbe und Handel. Die Assignaten, deren man für 27 Milliarden ausgegeben hatte, waren auf 8 Prozent ihres Nennwerts gefallen.

Nachdem ein Aufstand der Jakobiner am 1. Prairial (20. Mai 1795) und ein Erhebungsversuch der Royalisten am 13. Vendémiaire (5. Oktober 1795) unterdrückt wurden, wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet, welche zwei Kammern (einen Rat der Fünfhundert und einen Rat der Alten) und ein gewähltes Direktorium von fünf Männern an die Spitze der Republik stellte.

Die Ereignisse in Paris wirkten sich auch auf den jungen Napoleon Bonaparte aus. Dieser war seit Toulon freundschaftlich mit Augustin Robespierre verbunden und wurde von diesem auch in Paris und bei seinem Bruder gelobt. Jeder der sich mit den Brüdern Robespierre verstand, wurde nach dem 9. Thermidor verdächtigt. Der Brigadegeneral Buonaparte wurde von seinen Pflichten entbunden und von seinem kommandierenden General unter Arrest gestellt. Von zehn Gendarmen wurde Napoleon in seinem Haus in Nizza bewacht und wartete auf die Entscheidung der Kommissare. Zu seinem Glück war der Blutdurst nach dem 9. Thermidor gestillt und am 20. August wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.

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